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RA Dr. Pragal nimmt Stellung zu den Vorwürfen gegen die interne Untersuchung beim RBB

(Versuchte) Strafvereitelung oder Sturm im Wasserglas?

tagesschau.de berichtete am 16.01.2023 (https://www.tagesschau.de/investigativ/rbb/rbb-aufarbeitung-anwaelte-101.html):

„Wenn über viele Stunden darüber gesprochen worden ist, welche Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden, dann wird am Ende das Ergebnis gestanden haben, dass nicht alle Informationen weitergegeben worden sind, und dann hat die Staatsanwaltschaft eben kein vollständiges Bild erhalten. Also, meiner Ansicht nach muss die Staatsanwaltschaft selbst ermitteln“, so Hellmann. Und Heger ergänzt: „Es besteht die Gefahr, dass durch die Vorauswahl des Materials durch die Anwälte eine gewisse Schlagseite entsteht“.

Vorgefilterte Unterlagen? Zur Pflicht von Ermittlern gehört es, sich ein Gesamtbild zu machen, so Paragraf 160 der Strafprozessordnung. Und da die Leitungsebene des rbb beteiligt war und im Laufe der Zeit immer neue Vorwürfe und immer neue Beschuldigte auftauchten, hätte die Generalstaatsanwaltschaft von Anfang an allumfänglich selbst beschlagnahmen müssen, meint Heger. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass von interessierter Seite nur „passende“ Beweismittel herausgegeben oder auch Beweismittel unterdrückt würden, sagen die Experten.“

Eine abschließende Bewertung des konkreten Einzelfalls auf der Grundlage der öffentlich kolportierten Fakten verbietet sich. Auch für die beteiligten Rechtsanwälte gilt die Unschuldsvermutung.

Doch wie wäre der Fall generell zu beurteilen, wenn tatsächlich im Zuge der internen Untersuchung und Berichterstattung gegenüber der Staatsanwaltschaft belastende Beweismittel zielgerichtet vorenthalten worden wären?

Die Kontroverse um interne Untersuchungen ist beileibe nicht neu – hierzu wurde fast alles schon gesagt:

Zunächst einmal ist zuzugeben, dass der Verzicht seitens einer Staatsanwaltschaft auf eine grundsätzlich zulässige und womöglich sogar gebotene Durchsuchung aus „Rücksicht“ auf eine interne Untersuchung ein gesetzlich nicht geregeltes Entgegenkommen darstellt, welches immanent das Risiko der „Schönfärberei“ und auch Beweisvereitelung birgt.

Umgekehrt dürften redlich durchgeführte interne Untersuchungen in vielen Fällen zu einer erheblichen Entlastung der Justiz, zur Aufdeckung bislang unbekannter Tatkomplexe und auch zu einer anderenfalls kaum denkbaren Verfahrensbeschleunigung geführt haben. All dies liegt offensichtlich im rechtstaatlichen Interesse.

Das gescheiterte Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft sah sogar Anreize für die Durchführung von internen Untersuchungen vor, sodass deren generelle Legitimität nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. Auf das „wie“ kommt es mithin an.

Doch kann durch das „Unterschlagen“ von Beweismitteln oder durch die aktive Entstellung des Sachverhalts z.B. in einem anwaltlichen Untersuchungsbericht sogar Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) begangen werden?

Mit dieser kaum diskutierten Frage habe ich mich in einem Kapitel des demnächst im Beck-Verlag erscheinenden Handbuchs „Richtiges Verhalten in der Compliance-Krise“ (https://www.beck-shop.de/engelhoven-richtiges-verhalten-compliance-krise/product/34039837) beschäftigt.

Meines Erachtens lässt sich Folgendes festhalten:

  • Ausgangspunkt: Nach § 43a BRAO ist dem Rechtsanwalt das bewusste Verbreiten von Unwahrheiten ebenso wie die Lüge im Rahmen der Berufsausübung gegenüber jedermann verboten. Aus einem Verstoß folgt indessen keineswegs automatisch eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung.

 

  • Eine Kanzlei, die mit einer „unabhängigen und objektiven Untersuchung“ beauftragt wurde, wird sich kaum auf gewisse Privilegierungen berufen können, die für Strafverteidiger gelten.

 

  • Das bewusste Aufstellen unrichtiger Tatsachenschilderungen in Untersuchungsberichten unter Verstoß gegen § 43a BRAO zwecks „Beschönigung“ des Sachverhalts („Der Vorstand hatte keine Kenntnis…“) kann daher u.U. zu einer Strafbarkeit wegen (versuchter) Strafvereitelung führen, falls auch die subjektiven Voraussetzungen vorliegen.

 

  • Auch bei dem bewussten Verschweigen von belastenden Tatsachen oder beim Vorenthalten von belastenden Beweismitteln kann eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Strafvereitelung vorliegen, wenn ein objektiver Empfänger diese Information unter Berücksichtigung der Grenzen des selbst gesetzten Untersuchungsauftrages zwingend hätte erwarten dürfen (Sinnenstellung des Sachverhalts).

 

  • Unzutreffende rechtliche Bewertungen können dagegen ebenso wenig Strafvereitelung darstellen wie die Wahrnehmung von prozessualen Rechten.

 

Unabhängig von Strafbarkeitsrisiken dürfte eine Irreführung der Ermittlungsbehörden meist katastrophale Folgen für die beabsichtigte „Deeskalation“ des Strafverfahrens haben und kaum zu „reparieren“ sein.

Ein solches Vorgehen verbietet sich daher nicht nur aus straf- und berufsrechtlichen Gründen, sondern auch angesichts des wohl verstandenen Mandanteninteresses wegen den sonst drohenden, unabsehbaren „Strafzuschlägen“ (sog. „negatives Nachtatverhalten“) sowie einer „verschärften Gangart“ der Ermittlungen.

 

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Staatsanwaltschaft Itzehoe stellt Verfahren wegen „Beaching“ ein

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat im November ein Verfahren gegen die ehemaligen Verantwortlichen einer Reederei eingestellt, in dem diesen ein sog. „Beaching“ vorgeworfen wurde.

Beim „Beaching“ werden vorwiegend ältere Containerschiffe veräußert und sodann durch zumeist in Fernost ansässige Schrotthändler auf den Strand gesteuert (daher der Begriff „beaching“), um dort entkernt, zerteilt und verschrottet zu werden.

Derzeit ist zu beobachten, dass die Strafverfolgungsintensität durch deutsche Ermittlungsbehörden wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen gem. § 326 Abs. 2 StGB und illegaler Verbringung gefährlicher Abfälle gem. § 18a AbfVebrG fühlbar zunimmt.

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Landgericht Hildesheim stellt generelle Straflosigkeit der Zuführung von Patienten durch Vertragsärzte zugunsten von Nahrungsergänzungsmittel-Hersteller nach § 299a/b StGB fest

Das Landgericht Hildesheim hat in einer noch nicht veröffentlichten Beschwerdeentscheidung vom 07.02.2020 (Beschluss LG Hildesheim 15 Qs 1/20) entschieden, dass die Zuführung von Patienten an einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) durch Ärzte aus Rechtsgründen nicht den Tatbestand der §§ 299a/b StGB erfülle.

Denn die „Zuführung“ müsse stets zugunsten eines zugelassenen Leistungserbringers im Sinne des § 299b Abs. 3 StGB erfolgen. Dies sind allerdings nur solche juristischen oder natürlichen Personen, die von den Krankenkassen zugelassen sind, für diese Leistungen erbringen und diese gegenüber den Kassen abrechnen.

Damit erfolge im Falle von NEM-Herstellern nicht die „Zuführung“ von Patienten, sondern letztlich nur von bloßen „Kunden“ (dazu unseren Blog-Beitrag vom 05.02.2020).

Das LG führt weiter aus, dass das Schutzgut der §§ § 299a/b StGB, nämlich das Vertrauen in die Integrität einer heilberuflichen Entscheidung und der wettbewerbsrechtlich strukturierte Ordnungsmechanismus, im vorliegenden Fall nicht tangiert werde. Als besonders schutzwürdig habe der Gesetzgeber nämlich nur das „Heilberufs-Patienten-Verhältnis“ befunden, welches aber in der Regel verlassen werde, wenn weder Arzneien, Hilfsmittel oder Medizinprodukte betroffen sind, noch Leistungen für die Krankenkassen erbracht werden.

Ausdrücklich hervorzuheben ist aber, dass die Entscheidung naturgemäß nur die strafrechtliche Facette des praktizierten Geschäftsmodells betrifft. Die berufsrechtliche Zulässigkeit einer (möglicherweise incentivierten) ärztlichen Empfehlung bestimmter (nichtmedizinischer) Präparate – insbesondere vor dem Hintergrund der §§ 31 f. der Berufsordnung für Ärzte – war nicht Gegenstand der Entscheidung.

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RA und Fachanwalt für Medizinrecht Sven Hennings (Kanzlei Causa Consilio, Hamburg) und RA Dr. Oliver Pragal, Fachanwalt für Strafrecht weisen auf Gestaltungsspielräume beim Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln über niedergelassene Vertragsärzte hin

RA und Fachanwalt für Medizinrecht Sven-Hennings (Kanzlei Causa Consilio, Hamburg) und RA Dr. Oliver Pragal, Fachanwalt für Strafrecht weisen auf Gestaltungsspielräume beim Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln über niedergelassene Vertragsärzte hin

Anlässlich eines Ermittlungsverfahrens einer Staatsanwaltschaft gegen einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) sowie niedergelassene Vertragsärzte wegen des Verdachts der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a/b StGB) weisen die Rechtsanwälte Sven Hennings und Dr. Oliver Pragal auf das Risiko der Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen einer strafbaren „Zuführung von Patienten“ durch den Arzt an den Hersteller von NEM z.B. im Falle der Zahlung von Provisionen an den Arzt gem. § 299a/b Nr. 3 StGB hin.

Zwar sprächen die herrschende Meinung und die besseren Argumente gegen eine solche Strafbarkeit, da den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sei, dass der Tatbestand ausschließlich die „Zuführung von Patienten“ an einen anderen Leistungserbringer, nicht jedoch z.B. an den Hersteller von NEM erfasse. Denn in diesem Falle handele es sich gerade nicht um einen „Patienten“, sondern um einen bloßen „Kunden“.

Da gerichtliche – erst recht höchstrichterliche – Entscheidungen bisher nicht vorlägen, bestehe dennoch ein nicht völlig ausschließbares Strafbarkeitsrisiko.

Vor diesem Hintergrund weisen die Rechtsanwälte darauf hin, dass es einem niedergelassenen Vertragsarzt sehr wohl gestattet ist, ein von der Praxis getrenntes Institut für Ernährungsberatung zu betreiben.

Zusammengefasst gelte, dass ein Arzt, der in der räumlichen Umgebung seiner Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchführt, dann nicht gegen die Berufsordnung (§ 3 Abs. 2 MBO-Ä) verstößt, wenn er diese gewerbliche Tätigkeit im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht trennt. Diese gegenwärtig herrschende Rechtsauffassung wird seitens des BGH, Urteil vom 29.05.2008 I ZR 75/05 vertreten und – soweit ersichtlich – von den Berufsgerichten gleichermaßen bestätigt.

Ein Arzt ist mithin berechtigt, ein gewerbliches Institut (für Ernährungsberatung) nach Maßgabe der vorbezeichneten Bedingungen zu betreiben.

Der Arzt, der ein Institut für Ernährungsberatung in zulässiger Weise (siehe oben sub. a) betreibt, ist gehalten, das Gebot des sog. Trennungsprinzips streng zu beachten. Der Patient muss erkennbar wahrnehmen können, ob er sich in ärztlicher Behandlung oder aber sich als Kunde im Institut befindet. Für die Einhaltung dieses Trennungsprinzips ist allein der Arzt verantwortlich, nur er kann die strikte Beachtung dieses Gebotes gewährleisten und im Ergebnis die Verantwortung tragen.

Im Falle des Verkaufs von NEM durch das Institut an dessen Kunden auf eigene Rechnung bestünde im Falle der Berücksichtigung bestimmter Maßgaben nach der Rechtsauffassung der Anwälte kein Strafbarkeitsrisiko gem. § 299a/b Nr. 3 StGB, da es – anders bei Abschluss des Belieferungsvertrags zwischen NEM-Hersteller und dem Institut als im Falle von Empfehlungen durch den Arzt gegen Zahlung von Provisionen – von vornherein keine tatbestandsmäßige Konstellation gebe, die als Unrechtvereinbarung gewertet werden könne.

Zudem sei in diesem Falle das Tatbestandsmerkmal des § 299a/b StGB nicht erfüllt, wonach der Vorteil „im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs“ (als Arzt) gefordert werden müsse.

Die Rechtsanwälte weisen darauf hin, dass diese Rechtsausführungen nicht die rechtliche Beratung im Einzelfall ersetzen können und lehnen insoweit jegliche Haftung ab.

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Beratung der Elsflether Werft im Gorch-Fock-Skandal

Dr. Oliver Pragal berät die Elsflether Werft im sogenannten Gorch-Fock-Skandal.

Seit Ende 2015 liegt die Gorch-Fock, das einstige Aushängeschild der deutschen Marine, in der Elsflether Werft. Zunächst hatte sich der Rechnungshof wegen der Kostensteigerungen eingeschaltet, jetzt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Bestechung bzw. Bestechlichkeit.

Die Elsflether Werft hat Herrn Rechtsanwalt Dr. Pragal damit beauftragt, sie in diesem Ermittlungsverfahren zu verteidigen.

Mit der Sachverhaltsaufklärung und sonstigen Beratung hat die Werft die Kanzlei Esche Schümann Commichau beauftragt.

Mit der Zusammenarbeit greifen Meyer-Lohkamp & Pragal und Esche Schümann Commichau auf ein bewährtes Konzept zurück – gemeinsam hatten die beiden Kanzleien schon die Hempel (Germany) GmbH im Zuge eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Korruptionsverdachts verteidigt bzw. beraten.

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Dr. Pragal zieht in „Der Freie Zahnarzt“ Bilanz ein Jahr nach Inkraftteten des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a/b StGB)

Anlässlich des 1. Jahrestages des Inkrafttretens des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a/b StGB) zieht Herr Rechtsanwalt Dr. Pragal in „Der Freie Zahnarzt“, der Mitgliederzeitschrift des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte e.V., eine Bilanz hinsichtlich der praktischen Auswirkungen des Gesetzes. Der Beitrag ist hier verfügbar.

Bemerkenswert sei, so Dr. Pragal, dass im Gegensatz zu den vielfach geäußerten Befürchtungen eine „Strafverfolgungswelle“ ausgeblieben sei. Nach Erkundigungen des Autors bei verschiedenen Staatsanwaltschaften ergebe sich das Bild, dass beispielsweise die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Delikte im Gesundheitswesen in Wuppertal trotz einiger polizeilicher Ermittlungsanfragen kein einziges Verfahren eingeleitet habe. Bei der für das gesamte Bundesland Hessen zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main seien vier Verfahren eingeleitet worden, bei denen es sich indessen um schwerwiegende Rechtsverstöße handele. Auch in den Medien sei bisher – soweit ersichtlich – noch kein Verfahren thematisiert worden. Dieser Befund spreche dafür, dass die Staatsanwaltschaften von den neuen Strafvorschriften ausgesprochen zurückhaltend Gebrauch machten.

Dr. Pragal wies indessen auch darauf hin, dass zukünftig von einem gesteigerten Entdeckungsrisiko im Rahmen von Betriebsprüfungen auszugehen sei. Denn Vorteile, die nach den neuen Strafvorschriften unzulässig seien, rechtfertigten keinen Betriebsausgabenabzug und begründeten mithin den Verdacht der Steuerhinterziehung für den „Geber“ sowie der Beihilfe hierzu gegen den „Nehmer“. Dies berechtige und verpflichte den Betriebsprüfer zur Mitteilung an das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen, welches seinerseits den Fall an die Staatsanwaltschaft abgeben müsse. Das Steuergeheimnis sei insoweit ausdrücklich durchbrochen.

Diesen Risiken könne die Ärzteschaft nur durch eine genaue Beachtung des Berufs- und Sozialrechts sowie durch die Einholung von qualifiziertem Rechtsrat begegnen, welches durch die neuen Strafvorschriften eine erhebliche Aufwertung erfahren haben.

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Meyer-Lohkamp zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unwirksamer Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 345 Abs. 1 StPO (jurisPR-StrafR 14/2017 Anm. 2)

Herr Rechtsanwalt Meyer-Lohkamp befasst sich in diesem Beitrag (jurisPR-StrafR 14/2017 Anm. 2) mit einer Entscheidung des BGH (BGH 3. Strafsenat, Beschluss vom 24.01.2017 – 3 StR 447/16) zu den Folgen einer fehlerhaften Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist für den Angeklagten.

Eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO kommt aus Sicht des BGH nicht in Betracht, so dass eine gleichwohl erfolgte Verlängerung unwirksam ist. Die aufgrund eines gerichtlichen Versehens erfolgte Verlängerung stellt für den Angeklagten indessen ein unverschuldetes Hindernis zur Fristwahrung dar, da anwaltliches und gerichtliches Fehlverhalten basierend auf mangelnden Rechtskenntnissen nicht zulasten des Angeklagten gehen können. Dies zwingt gemäß § 44 StPO zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

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Landgericht Hamburg stellt Beschlagnahmefreiheit von Korrespondenz mit zivilrechtlich beauftragtem Rechtsanwalt fest

Das Landgericht Hamburg hat in einem noch nicht veröffentlichten Beschluss vom 17.08.2016 (Beschluss LG Hamburg 618 Qs 30/16) entschieden, dass die Korrespondenz sowie eigene Aufzeichnungen eines Mandanten mit einem zivilrechtlich beauftragten Rechtsanwalt im Gewahrsam des Mandanten in verfassungskonformer Auslegung des Paragraphen 97 Abs. 1 StPO beschlagnahmefrei ist. § 97 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 i.V.m. Abs. 2 StPO schützt bekanntlich seinem Wortlaut nach diese Beweismittel nur im Gewahrsam des Berufsgeheimnisträgers, nicht jedoch im Gewahrsam des Mandanten.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem einem Geschäftsführer wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung zu Gunsten der Gesellschaft gekündigt worden war. Gegen diese Kündigung wehrte sich dieser zivilrechtlich und beauftragte zu diesem Zwecke Rechtsanwalt K. Den formalen Beschuldigtenstatus erhielt der Beschwerdeführer erst später durch eine Strafanzeige des Unternehmens nach Durchführung einer internen Untersuchung.

Im Rahmen einer späteren Durchsuchung beim Beschuldigten wurden beim Beschwerdeführer Korrespondenz zwischen diesem und Rechtsanwalt K. sowie den Sachverhalt betreffende Aufzeichnungen und Dateien beschlagnahmt. Diese dienten in Unkenntnis des Strafverfahrens der Rechtsverfolgung in dem Zivilprozess gegen den vormaligen Arbeitgeber.

Das Landgericht Hamburg entschied daher, dass in derartigen Fällen der Kongruenz des Verfahrensgegenstandes im Zivil- und Strafverfahren eine Trennung zwischen der Zivil- und strafprozessualen Zweckbestimmung nicht möglich sei. Daher müsse es dem rechtsuchenden Bürger auch für den Zivilprozess ermöglicht werden, seinem Rechtsanwalt alle Umstände offenzulegen, die für die Prozessführung von Bedeutung sind, ohne dass er zugleich eine spätere Verwendung derselben im Strafprozessrecht fürchten müsse.

Besonders hervorzuheben ist, dass das Landgericht die extensive Auslegung des § 97 Abs. 1 StPO weder von dem hier noch fehlenden Beschuldigtenstatus abhängig gemacht hat noch die formale Erteilung eines Strafverteidigungsmandates vorausgesetzt hat. Ein solches lag nämlich – trotz der missverständlichen Formulierung auf S. 5 („strafrechtliches Mandant erteilt“) – nicht vor. Rechtsanwalt K. hatte vielmehr nur gelegentlich der zivilrechtlichen Mandatsbearbeitung Hinweise und Einschätzungen strafrechtlicher Natur erteilt, ohne jedoch entsprechend beauftragt worden zu sein.

Die Entscheidung dürfte insbesondere für die Vielzahl wirtschaftstrafrechtlicher Mandate von erheblicher Bedeutung sein, bei denen der Beschuldigte sich zugleich in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren oder Schadenersatzprozess zivilrechtlich zur Wehr setzen muss. Des Weiteren ist die Entscheidung ein weiterer und begrüßenswerter Schritt zur rechtsstaatlichen Absicherung von Internen Untersuchungen im Auftrage von Unternehmen, bei denen ähnliche Problemfragen in der Vergangenheit recht kontrovers und nicht immer zu Gunsten der Beschlagnahmefreiheit diskutiert bzw. entschieden wurden.

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Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen wird am 04.06.2016 in Kraft treten

Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen heute im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist und am 04.06.2016 in Kraft treten wird. Der Auszug aus dem Bundesgesetzblatt ist hier verfügbar.

Das Gesetz betrifft insbesondere Kooperationen / Vereinbarungen zwischen der Pharma-Industrie, Medizinprodukteherstellern, Krankenhäusern etc. und niedergelassenen Ärzten / Heil- und Hilfsmittelerbringern und sonstigen Heilberuflern, bei denen Vergütungen erfolgen bzw. sonstige Vorteile ausgetauscht werden. Sowohl Nehmer als auch Geber machen sich damit gemäß § 299a/b StGB strafbar. Das Gesetz enthält allerdings eine in „letzter Sekunde“ aufgenommende Privilegierung für Apotheker.

Das Inkrafttreten des Gesetzes bedeutet, dass jegliche Formen der Kooperation bzw. der Incentivierung von Angehörigen der Heilberufe sorgfältig auf ihre Rechtskonformität geprüft werden müssen. Bestimmte Praktiken werden praktisch per se strafbar, z.B. der Betrieb eines gewerblichen Fremdlabors durch Zahnärzte zwecks Zuweisung von Aufträgen, z.B. für Implantate der eigenen Patienten.

Weithin unbekannt ist hingegen, dass eine anwaltliche Prüfung unter bestimmten Voraussetzungen den Mandanten selbst dann vor Strafe schützt, wenn Staatsanwaltschaft / Gerichte die betreffende Konstellation anders bewerten (sog. „unvermeidbarer Verbotsirrtum“, vgl. § 17 StGB).

Hintergrund des in Kraft tretenden Gesetzes ist, dass der Große Strafsenat im Jahre 2012 festgestellt hatte, dass Vertragsärzte weder Beschäftigte im Sinne des § 299 StGB der gesetzlichen Krankenkassen sind noch Amtsträger im Sinne der §§ 331 ff StGB – und damit strafrechtlich in den meisten Korruptionsfällen nicht verfolgbar waren (nur berufs-, vertragsarzt- wie auch wettbewerbsrechtlich bestand die Möglichkeit der Sanktionierung). Durch die Schaffung der §§ 299a/b StGB hat der Gesetzgeber hier nun die aufgezeigte Strafbarkeitslücke sehr weitgehend geschlossen.

Für Rückfragen wenden Sie sich gern an:

RA Dr. Pragal

040 / 28668220

pragal@strafverteidigerhamburg.com

 

 

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apotheke adhoc-Interview mit RA Dr. Pragal: „Betriebsprüfer als Korruptionsjäger“

apotheke adhoc hat am 06.04.2016 ein Interview mit RA Dr. Pragal veröffentlicht, welches hier verfügbar ist.

Dr. Pragal erläuterte in diesem Interview, dass infolge der letzten Änderungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen (BT-Drucks. 18/6446) jegliche Formen der Bestechung von Apothekern beim Einkauf von Arzneimitteln völlig überraschend aus dem Straftatbestand ausgeklammert worden sind.

Dies ergebe sich daraus, dass die Tathandlung der „Abgabe“ von Arzneimitteln gestrichen worden sei und der „Bezug“ von Arzneimitteln nun zusätzlich voraussetze, dass diese jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den (nicht: „einen“) Heilberufsangehörigen bestimmt seien.

Eine mögliche Strafbarkeit von Apothekern bleibe allerdings bei der Rezeptzuweisung. Bietet oder gewährt der Apotheker einem Arzt Vorteile, damit dieser seine Patienten in die Apotheke schickt, falle diess unter das Anti-Korruptionsgesetz.

Eindringlich warnte Dr. Pragal davor, dass Betriebsprüfer zukünftig das steuerliche Abzugsverbot für „Schmiergelder“ (vgl. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG) überwachen und daher im Rahmen von Betriebsprüfungen z.B. Mietverträge zwischen Ärzten und Apothekern oder Kooperationsverträge zwischen Ärzten und Krankenhäusern auf die Angemenssenheit der Vergütung hin prüfen könnten. Im Verdachtsfalle seien die Betriebsprüfer zu einer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft verpflichtet.

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